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17.07.2023
zuletzt aktualisiert am 06.03.2024

Hochbreitbandstrategie: Glasfaser-Ausbau soll finanziell unterstützt werden

Eine zeitgemässe Internet-Infrastruktur muss auch dort sichergestellt werden, wo sich der Netzausbau für die Betreiber wirtschaftlich nicht lohnt. Dazu hat der Bundesrat als Antwort auf ein Postulat aus dem Nationalrat eine «Hochbreitbandstrategie» erarbeitet, das den Einsatz von Fördergeldern für den Glasfaser-Ausbau vorsieht. Der Bericht beruht auf einer Expertise des renommierten WIK (Wissenschaftliches Institut für Infrastruktur und Kommunikationsdienste) und zeigt verschiedene Optionen zur Finanzierung und Umsetzung des Förderprogramms.

Die Internetnutzung hat in den letzten 20 Jahren massiv zugenommen. Und mit der fortschreitenden Digitalisierung und dem vermehrten Einsatz von Anwendungen wie Cloud-Diensten, künstlicher Intelligenz oder virtueller Realität wird der Bedarf an hohen Internetbandbreiten weiter steigen.

Bereits über 80 Prozent der Nutzungseinheiten (Wohnungen, Geschäfte etc.) in der Schweiz verfügen über einen Internetanschluss, der Geschwindigkeiten von mindestens 1 Gbit/s ermöglicht. Das bedeutet allerdings nicht, dass auch in 80 Prozent aller Gebäude mindestens 1 Gbit/s möglich sind. Die 80 Prozent der Nutzungseinheiten verteilen sich auf lediglich 48 Prozent aller Gebäude. Das heisst: Um die restlichen 20 Prozent aller Nutzungseinheiten mit 1 Gbit/s auszustatten, müssen noch 52 Prozent aller Gebäude erschlossen werden.

Ländliche Gebiete haben das Nachsehen

Gebiete, in denen die Wohnungen und Geschäfte nicht mit einem leistungsfähigen Breitbandnetz erschlossen sind, drohen im Zuge der Digitalisierung abgehängt zu werden. Sie würden sowohl als Wohnort als auch als Unternehmensstandort unattraktiv. Diese Gebiete sind darauf angewiesen, dass die Netzbetreiber ihr Netz ausbauen.

Das Problem dabei: Die Netzbetreiber bauen ihr Netz nur dort aus, wo es rentabel ist. In dünn besiedelten Gebieten ist dies oftmals nicht der Fall, weil weniger Nutzungseinheiten erschlossen und somit weniger Anschlüsse verkauft werden können. Aus diesem Grund sieht der Bundesrat ein Förderprogramm vor, das den Netzausbau auch in unrentablen Gebieten ermöglichen und einen digitalen Stadt-Land-Graben verhindern soll.

Das Förderprogramm im Detail

Das Förderprogramm des Bundes soll den Netzausbau dort unterstützen, wo private Investitionen nachweislich nicht rentabel sind und nicht bereits eine Internetgeschwindigkeit von mindestens 1 Gbit/s verfügbar ist. Der Netzausbau soll dabei soweit möglich mittels Glasfaser (P2P-Netztopologie) erfolgen. Es werden nur sogenannte passive Infrastrukturen (Kabelkanäle, Glasfasern etc.; Layer 1 im OSI-Modell) mitfinanziert.

Damit private Investitionen der Netzbetreiber durch das Förderprogramm nicht verdrängt werden, soll mittels eines Markterkundungsverfahrens eruiert werden, welche Gebiete förderberechtigt sind.

CHF 1.4 Mia. Fördergelder

Der Investitionsbedarf für den schweizweiten Ausbau auf 1 Gbit/s hängt vom angewandten Ausbaustandard ab. Gemäss Bundesrat muss das Netz im P2P-1-Faser-Modell ausgebaut werden. Im Gegensatz zur P2MP-Netztopologie erhält im P2P-Modell jeder Kunde eine eigene Glasfaser von der Anschlusszentrale (PoP) bis in die Wohnung.

Im Vergleich zum P2MP-1-Faser-Modell werden für das P2P-Modell zwar zusätzlich CHF 400 Mio. benötigt, doch nur so kann der faire Wettbewerb zwischen den Providern sichergestellt werden. Der Bund bezieht sich in seinem Bericht auch auf den diesbezüglichen Glasfaserstreit zwischen Swisscom und Init7 und das laufende WEKO-Verfahren.

Das 4-Faser-Modell sieht vor, dass von der Anschlusszentrale zu jedem Kunden 4 Glasfasern führen. Dadurch haben 4 Provider gleichzeitig Zugang zum Kunden. Beim 1-Faser-Modell hat zwar nur ein Provider Zugang zum Kunden, doch die Faser kann in der Anschlusszentrale vom einen zum anderen Provider umgesteckt werden. Der Wettbewerb zwischen den Providern bleibt somit gewährleistet.

Da die notwendigen Investitionen und somit auch die Höhe der benötigten Fördergelder beim 1-Faser-Modell viel tiefer ausfallen als beim 4-Faser-Modell, spricht sich der Bundesrat klar für das 1-Faser-Modell aus. Die zusätzlich benötigten Fördergelder von rund CHF 2.4 Mia. für das 4-Faser-Modell seien nicht zu rechtfertigen.

Total notwendige Investitionen und Anteil notwendiger Fördergelder pro Ausbauszenario; Quelle: «Bericht Hochbreitbandstrategie des Bundes»

Wer bezahlt, ist noch unklar

Der Bundesrat sieht verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten für das Förderprogramm. Im Vordergrund stehen dabei Beiträge aus dem ordentlichen Bundesbudget sowie nicht budgetierte Einnahmen aus Mobilfunkkonzessionen.

Die Rechte für die Mobilfunkfrequenzen werden jeweils in Auktionen versteigert. Die Erlöse gehen zugunsten der Eidgenossenschaft. Die Erlöse der letzten Auktionen in den Jahren 2012 und 2019 wurden vorwiegend für die Schuldentilgung verwendet und entsprechen ungefähr den für das Förderprogramm benötigten CHF 1.4 Mia. Die nächsten Auktionen finden in den Jahren 2028 und 2034 statt. Es wäre möglich, die Erlöse an das Förderprogramm zu binden und so die Hochbreitbandstrategie zu finanzieren.

Diese Lösung hätte den Vorteil, dass Geld aus der Telekombranche wieder in die Telekombranche fliesst. Allerdings ist ungewiss, wie hoch die Erlöse aus den Konzessionen sein werden. Das Ausbauziel müsste daher den zur Verfügung stehenden Mitteln angepasst werden.

Würde das Programm über den Budeshaushalt finanziert, würde zwar die angespannte Finanzlage des Bundes verschärft, aber der Bundesrat schätzt, dass diese Variante breitere Akzeptanz in der Bevölkerung finden könnte, weil eine politische Auseinandersetzung stattfinden würde.

Mehr der Vollständigkeit halber wird auch eine Art «Breitband-Steuer», also quasi ein Solidaritätsbeitrag der Glasfaser-Kunden in Erwägung gezogen, aber gleich wieder verworfen, weil politisch kaum durchsetzbar. Die zu erzielenden Einnahmen wären indes auch viel zu klein, als dass der Finanzierungsbedarf von CHF 1.4 Mia. innert nützlicher Zeit erreicht werden könnte. Erhöbe man für die etwa 1.5 Mio. bestehenden FTTH-Abonnemente während 7 Jahren einen Zweifränkler «Glasfaser-Solidarität», kämen bloss etwa CHF 250 Mio. zusammen.

Es wäre zudem denkbar, dass sich die betroffenen Kantone und Gemeinden an der Finanzierung beteiligen.

Fördermodelle

Für die Ausgestaltung des Förderprogramms kommen grundsätzlich zwei unterschiedliche Fördermodelle in Frage: Das Wirtschaftlichkeitslückenmodell und das Betreibermodell. Dabei ist es auch möglich, dass beide Modelle zum Einsatz kommen und sich gegenseitig ergänzen.

Wirtschaftlichkeitslückenmodell

Bei diesem Modell werden förderberechtigte Projekte wettbewerblich ausgeschrieben. Private Unternehmen können sich für das Projekt bewerben, indem sie ein Angebot über die Höhe der benötigten Fördergelder abgeben. So wird sichergestellt, dass keine zu hohen Förderbeiträge bezahlt werden und die Projektvergabe verläuft transparent und nichtdiskriminierend. Eigentümer des gebauten Netzes ist das Unternehmen, das den Projektzuschlag erhält.

Betreibermodell

Beim Betreibermodell wird das Netz nicht von einem privaten Unternehmen, sondern von einer Gemeinde, einem Gemeindeverbund oder einem kommunalen Unternehmen gebaut. Die Projekte werden nicht ausgeschrieben, doch die erwarteten Ausgaben und Einnahmen müssen deklariert werden und es muss dargelegt werden, dass ein Bedarf an Fördergeldern existiert. Eigentümer des Netzes ist anschliessend die Gemeinde, der Gemeindeverbund resp. das kommunale Unternehmen.

Der kommunale Eigentümer wird jedoch nicht selbst auf dem Endkundenmarkt tätig, sondern stellt den Telekomunternehmen das Netz gegen Bezahlung zur Verfügung (wholesale-only). Dabei kann der Eigentümer das Netz selbst weitervermarkten (Gemeindebtriebsmodell) oder er kann einen anderen Netzbetreiber mit dem Betrieb und der Vermarktung beauftragen (Konzessionsmodell).

Vorteile, Chancen und Risiken der Fördermodelle; Quelle: «Bericht Hochbreitbandstrategie des Bundes»

Kommentar: So steht Init7 zur Hochbreitbandstrategie

Um einen digitalen Stadt-Land-Graben zu vermeiden, ist es notwendig, dass auch ländliche, wirtschaftlich unrentable Gebiete ans Glasfasernetz angeschlossen werden. Da von den Netzbetreibern nicht erwartet werden kann, in unrentable Gebiete zu investieren, ist eine finanzielle Förderung unumgänglich.

P2P-Netztopologie

Der Ausbau mittels P2P-Netztopologie ist die einzig akzeptable Netztopologie, da nur so technologische Innovationen und ein fairer Wettbewerb zwischen den Providern sichergestellt werden können. Mehr dazu in unserem Blog-Beitrag zu P2P und P2MP sowie auf unserer Webseite.

Es ist begrüssenswert, dass der Bundesrat die P2MP (Point-to-Multipoint) Netztopologie ausschliesst, obwohl sie gemäss Berechnung etwa 400 Millionen Franken günstiger käme. Die Entscheide von WEKO, Bundesverwaltungsgericht und Bundesgericht im sogeannten «Glasfaserstreit» sprechen eine eindeutige Sprache.

Mit dem P2P-1-Faser-Modell können alle Wettbewerber der Telekomindustrie ziemlich gut leben. Tatsächlich sind fast allerorts die FTTH-Infrastrukturen nach dem P2P-1- oder -2-Faser-Prinzip gebaut. Dies entspricht auch dem Standard des «Runden Tischs Glasfaser», der unter Federführung des BAKOM vor über 10 Jahren verabschiedet worden ist und eine einzigartige Vereinheitlichung der FTTH-Ausbauten aller Akteure ermöglichte. Es gibt keinen Grund, in geförderten Gebieten von diesem Standard abzuweichen.

Finanzierung

Die Finanzierung über Mobilfunkkonzessionen beruht auf dem Prinzip Hoffnung: Es ist unklar, wie hoch die Einnahmen aus den Konzessionen sein werden. Betragen sie weniger als die benötigten CHF 1.4 Mia., entstehen Finanzierungslücken und der Ausbau verzögert sich. Man sollte das Fell des Bären nicht verteilen, bevor dieser erlegt ist.

Die Finanzierung aus der Bundeskasse scheint uns die sinnvollste Lösung. Schliesslich hat der Bund seit der Telekom-Liberalisierung 1998 Jahr für Jahr Swisscom-Dividenden einkassiert.

Alle anderen Vorschläge zur Finanzierung sind untauglich: Den Vorschlag einer «Breitbandsteuer» wischt der Bundesrat quasi selber vom Tisch und die subsidiäre Förderung durch Kantone und Gemeinden scheint auch nicht der Weisheit letzter Schluss, denn die Glasfaser-Versorgung bliebe damit beim heutigen Flickenteppich.

Fördermodell

Ordnungspolitisch wäre das Betreibermodell korrekter als das Wirtschaftlichkeitslückenmodell. Es wäre aber auch um ein Vielfaches komplizierter. Unsere Erfahrung zeigt, dass die kantonalen und kommunalen Energieversorgungsunternehmen teilweise sehr individuelle Vorstellungen und Anforderungen an ihr Glasfasernetz haben. Der Ausbau ist daher oft sehr umständlich. Aus diesem Grund erachten wir das Wirtschaftlichkeitslückenmodell als sinnvoller.

Mehr noch: um einen möglichst effizienten Einsatz der Fördergelder zu gewährleisten, wäre es aus unserer Sicht am effektivsten, wenn Swisscom das Fördergeld allein erhielte.

Dafür spricht, dass Swisscom mit ihrer Tochterunternehmung Cablex über eine gut geölte Maschinerie mit Know-how und Erfahrung verfügt, die in der Lage ist, 300’000 FTTH-Anschlüsse pro Jahr zu realisieren. Zudem könnten Skaleneffekte genutzt werden. Alternative Provider profitierten von der Einheitlichkeit der Zugänglichkeit und könnten sehr schnell konkurrierende Endkunden-Angebote schaffen.

Hingegen bräuchte jedes individuelle Förderprojekt nach dem Betreibermodell ganz viel Planungsarbeit und unzählige Stunden an Koordinationssitzungen, bis nur ein erster Kabelrohr-Graben ausgehoben ist. Auch aus Sicht der Wettbewerber sind kleine individuelle Netze kompliziert, weil überall neu verhandelt werden muss. Für Provider mit geringem Marktanteil rechnet sich der Aufwand häufig nicht.

Würde Swisscom alleine die CHF 1.4 Mia. Fördergelder erhalten, müsste dies natürlich mit gewissen Auflagen verbunden sein:

  • Leistungsauftrag: z.B. bis 2033 verfügen 99% der Bevölkerung über FTTH, 2037 sind es 100%
  • Einheitliche P2P-Netztopologie im 1- oder 2-Faser-Modell ohne Kompromisse
  • Regulierung: die FTTH-Glasfaser müsste schweizweit reguliert werden, damit sich der vom Gesetzgeber gewünschte Telekom-Wettbewerb für alle Anbieter fair gestaltet

Regulierung

Die Regulierung der Telekom-Infrastruktur käme selbstverständlich nicht nur den geförderten Randregionen zu Gute, sondern der gesamten Volkswirtschaft. Dieser Aspekt fehlt in der insgesamt doch recht ausgewogenen Hochbreitbandstrategie des Bundes.

Es zeigt sich erneut die Zwickmühle, in der sich der Bundesrat befindet: Einerseits muss die Rendite-Erwartung des Bundes als 51%-Mehrheitsaktionär von Swisscom in Form einer zuverlässig wiederkehrenden, stehts gleich hohen Dividende befriedigt werden; andererseits sollte er als Gesetzgeber und Regulator die Interessen der Schweizer Bevölkerung und Volkswirtschaft durch eine Service-Public Breitband-Versorgung wahrnehmen.

Die Kritik, die 1998 beschlossene Telekom-Liberalisierung sei nur halbherzig erfolgt und deshalb in grossen Teilen gescheitert, bleibt berechtigt und wird wohl auch nicht so schnell verstummen. Mit der nun vorliegenden Hochbreitbandstrategie hat es der Bundesrat in der Hand, wenigstens einige Fehler der Telekom-Liberalisierung vor 25 Jahren zu korrigieren.

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