von Fredy Künzler
Lesezeit: 5 Minuten
Zehn Jahre Fiber7
Der 22. Mai 2014 markiert ein wichtiges Datum in der Firmengeschichte von Init7. Es war die Geburtsstunde von Fiber7. Retrospektiv betrachtet gibt es tatsächlich ein «Vorher» und ein «Nachher». Denn bis ins Jahr 2013 war Init7 vor allem im Businesskunden- und Wholesale-Geschäft tätig. Nur 12% des 2013er-Umsatzes erzielten wir mit Privatkunden, hauptsächlich mit DSL-Anschlüssen, die auf der BBCS (Broadband Connectivity Service) Plattform der Ex-Monopolistin basierten. Das Hauptgeschäft war unser internationaler Internet-Backbone, der es ermöglichte, für andere Internet-Provider und Webhosting-Unternehmungen hochwertige Bandbreite zu produzieren. BGP4 (Border Gateway Protokoll Version 4) war (und ist) unsere Expertise.
Allerdings, so ums Jahr 2012, zeichnete sich ab, dass die Margen im IP Wholesale Geschäft immer knapper wurden. Internationale Anbieter mit besserer Kostenstruktur drückten die Preise. Schweizer Löhne für gute Network Engineers waren nicht mehr konkurrenzfähig mit den Salären, die ebenso gut qualifizierte Rumänen oder Spanier erhielten. Die internationale Konkurrenz betrieb ihr NOC (Network Operation Center) an günstigeren Standorten. Also musste etwas Neues her, damit Init7 langfristig wirtschaftlich funktioniert, denn eine Verlagerung unserer qualifizierten Jobs in Billiglohnländer kam nicht in Frage.
Der Glasfaserausbau beginnt
Gegen Ende der Nullerjahre begann, zuerst eher zögerlich und nur in den Städten, der Glasfaserausbau. Vorherrschend war zu jenem Zeitpunkt natürlich DSL des Incumbents und seinen mehreren Dutzend Wiederverkäufern, das in Konkurrenz zu Internet auf dem Fernsehkabelnetz stand. Die flächenmässig grösste Abdeckung hatte damals Cablecom (ab 2011 UPC Cablecom). Ebenso gross war aber auch der schlechte Ruf des Cablecom-Kundendienstes, was die technische Überlegenheit des TV-Kabels zu Gunsten von DSL nivellierte. Daneben etablierten diverse Stadtwerke sukzessive auf dem neu erstellten Glasfasernetz – teilweise legitimiert durch kommunale Volksabstimmungen – eine Wholesale-Plattform, die sich in der Funktion an der bekannten BBCS-Plattform orientierte. Die Bekannteste war sicher das «Zürinet» des Energieversorgers der Stadt Zürich.
Kaum da, schon kaputt: Glasfaser à la Zürinet
Auch Init7 entschloss sich etwa im Jahr 2009 auf diesen neuen Glasfaser-Infrastrukturen Dienste anzubieten und konnte über die Zeit einige hundert Privatkunden in St. Gallen, Winterthur und Zürich gewinnen. Doch richtig glücklich waren wir mit Zürinet & Co. nie: technische Einschränkungen, fehlende IPv6-Kompatibilität und stromfressende Zwangs-Abschlussgeräte (ONT) ohne Nutzen und – am schlimmsten – unfähige Produktmanager machten der möglichen Innovation den Garaus. Asymmetrische Bandbreiten, also mehr Speed beim Downstream als beim Upstream sind bei DSL und Cable technisch bedingt, bei Glasfaser allerdings unbegründet. Es sei denn, der Produktmanager wolle ein bestimmtes Ziel erreichen.
Die verfügbaren Zürinet-Bandbreiten waren also im wesentlichen ein Copy-Paste des DSL-Wholesale-Angebots auf dem Kupfernetz; ebenso die Vorleistungspreise. Die Frage, warum man Glasfaser baut, wenn dann doch künstlich auf DSL-Speed limitiert wird, wurde allerdings von den Verantwortlichen nie beantwortet. Symmetrische Bandbreite war nur bei sehr teueren Businesskunden-Anschlüssen verfügbar. Kurzum: die Zürinet Produktmanager hatten das Glasfaser-Wholesale-Produkt gleich von Beginn an kaputtgemacht, und wir konnten nichts daran ändern.
Es änderte erst, als der Incumbent – unter Druck einer kartellrechtlichen Untersuchung der Wettbewerbskommission wegen allfälliger Gebiets- und Preis-Absprachen zwischen diversen Stadtwerken und der Ex-Monopolistin – ab 2011 langsam aber stetig das Wholesale Angebot der ALO (Access Line Optical) für andere Serviceprovider verfügbar machte. ALO ist die entbündelte Glasfaser zum Teilnehmer-Anschluss, das Kupfer-Pendant TAL Teilnehmer-Anschluss-Leitung hatte damals gerade Konjunktur, denn die damalige Sunrise (noch ohne UPC) entbündelte hunderttausende Anschlüsse. Im Gegensatz zur TAL war allerdings ALO preislich nicht reguliert.
Getrieben durch den wirtschaftlichen Druck, der Frustration ob den unzulänglichen Vorleistungsprodukten der Stadtwerke und der neuen Möglichkeit, mit ALO eine unbeleuchtete Glasfaser beziehen zu können, machten wir uns im Jahr 2013 intensive Überlegungen, wie sich ein erschwingliches Internet-Angebot «ohne kaputt» realisieren liesse. Als Neuankömmling im Privatkundenmarkt war natürlich nur ein disruptiver Einstieg möglich, denn kein Mensch wechselt den funktionierenden Anschluss für 5% günstiger oder 5% besser. Es musste also ein Produkt her, dass alles Bisherige in den Schatten stellte.
Gigabit bei der Konkurrenz: teuer und asymmetrisch
Der Incumbent übernahm ausnahmsweise für einmal die Vorreiter-Rolle und lancierte einige Monate vor uns als erster Provider ein Gigabit-Internet-Angebot (asymmetrisch mit 100 Mpbs Upload-Geschwindigkeit), allerdings nur in Kombination mit Digitalfernsehen und Festnetztelefonie für satte CHF 249 pro Monat. Ein Abonnement, das die Zahlungsbereitschaft der meisten Haushalte überstieg.
Damit waren eigentlich alle Zutaten für das Menu «Schnellstes Internet ohne kaputt» bekannt: symmetrisches Gigabit-Ethernet auf Glasfaser (ist keine Raketenwissenschaft), Cisco Switch aus dem Graumarkt (wir hatten nicht viel Investitionskapital), IPv4 und IPv6 mit anständigem Backbone und viel Peering (hatten wir schon), Stellplatz fürs Rack in den Telefonzentralen (nennt sich Fläche & Gebäudeinfrastruktur und ist Voraussetzung für eine regulierte Telekom-Landschaft), Backhaul-Glasfaser mit 10Gbps Kapazität (konnten wir aushandeln) und Produkte der Konkurrenz, die entweder um Faktoren teurer oder schlechter waren.
Einen nervigen Produktmanager mit seinen Was-wäre-wenn-Excel Sheets zur Optimierung des ARPU (Average Revenue per User – «die» Kennzahl der Telekom-Industrie) hatten wir keinen, und so machten Network Engineers das Produktdesign und «vergassen» dabei, den Rate-Limiter auf 20/4 Mbps zu konfigurieren. Auch die Marketing-Regel, dass man immer drei Produkte (Basic, Medium, Premium) anbieten solle, und die Mehrheit der Kunden sich dann für das mittlere entscheiden würde, ignorierten wir mit dem Slogan «Fiber7. No Limits.» sträflich. Selbstverständlich musste noch eine rudimentäre Website mit einem Bestellformular und ein Logo her.
Fiber7 wurde also tatsächlich von ein paar Nerds zusammengeschustert. Bestellprozess, automatische Verrechnung, Marketing – all das, was es eigentlich für einen erfolgreichen Telekom-Produkt Launch braucht, war nicht vorhanden. Aber das Start-Datum war fix: 22. Mai 2014. Wir wussten, wie soziale Medien funktionierten und was zu tun war, um den Multiplikator der traditionellen Medien zu nutzen.
t – 24h.
— Init7 – Fiber7™ (@fiber7_ch) May 21, 2014
Die Geburtsstunde der Gigabit-Gesellschaft
Und so kommt es, dass am heutigen Tag Fiber7 das zehnjährige Jubiläum feiert.
Fiber7 war das erste symmetrische Gigabit-Angebot in der Schweiz zu einem erschwinglichen Preis. Und damit dürfen wir für uns in Anspruch nehmen, bei der Geburtsstunde der Schweizerischen Gigabit-Gesellschaft in der Pole Position dabei gewesen zu sein. Ein klein wenig stolz sind wir darüber schon.
PS. Etwas den Bammel hatte ich schon: Für die PoPs in den Telefonzentralen mussten wir Backhaul-Glasfaser vom Incumbent mieten. Eigentlich wollte man uns nur Managed Bandbreite verkaufen. Ein 10 Gbps Angebot war damals aber noch nicht vorhanden und so handelten wir eine Preisliste aus, um das Produkt «Fiberline» (Darkfiber) zur Erschliessung unserer PoPs zu beziehen. Dabei unterliess ich es zu erwähnen, was wir eigentlich tun wollten – nämlich den Glasfasermarkt für Privatkunden mit einem disruptiven Produkt aufzumischen, und redete unkonkret um den Brei rum, als die entsprechende Frage gestellt wurde. Ich liess meine Verhandlungspartner also im Glauben, wir würden etwas Neues für Businesskunden anbieten, denn ich hatte panische Angst davor, dass die Ex-Monopolistin im letzten Moment noch reingrätschen könnte und uns die Lieferung der Fiberline verweigerte, wenn sie rausfände, dass ihr eigenes Gigabit-Produkt mit CHF 249 pro Monat gegenüber unserem Fiber7 für CHF 64.75 nicht mehr so sexy dastünde.